4. 9.
Schon wieder Jetlag. Und das nach dieser kalten Nacht. Ich musste den zweiten Schlafsack auspacken. Jetzt stehe ich vollkommen verstrahlt vor meinem pitschnassen Zelt. Das ist mal ein Abenteuer. Vorgestern noch 34 Grad und jetzt das. Aber ich wollte es ja so.
Als ich endlich starte hat es immerhin schon 12 Grad. Auf dem kurzen Weg nach Tiflis komme ich durch echt arme Gegenden und Dörfer. In der Hauptstadt dann der Schock der Gegensätze. Zu aller erst Mal, weil ich fast kollabiere mit meiner Daunenjacke und den dicken Handschuhen bei knappen 30 Grad. Als nächstes der Verkehr. Irrsinnig schnell aber machbar. Nur nicht zu langsam werden ist das Geheimnis. Vorwiegend große, teure Autos mit fetten V8 Motoren oder Toyota Prius. Die über Trip Advisor ausgesuchte Unterkunft hat noch ein Zimmer frei für 25€. Allerdings ist es nicht einfach sie zu finden, zumindest mit OSMand. Zimmer beziehen, endlich mal wieder duschen, umziehen, SIM kaufen, Gefährtin waschen, pflegen und den Innenkotflügel hinten mit Kabelbinder fixieren. Der will unbedingt hier bleiben scheint es. Dann bummle ich in die Stadt und sie haut mich um. Einerseits dieser laute, schnelle Trubel und andererseits total gechillte Lokale und Bars in den ruhigen Seitenstraßen.
Ich gehe, wieder musste Trip Advisor herhalten, sehr gutes Essen, zumindest wenn man Koriandergrün mag, trinke auch ein Gläschen vom georgischen Wein, Chapeau.
180 KM
5. 9.
Eigentlich kein großes Ding. Von Tiflis nach Armenien an den Sewansee. Meinem Wendepunkt. Grenze ist inzwischen Routine. Bei der Ausreise will der georgische Polizist allerdings die georgische Versicherung vom Motorrad sehen. Die ja laut Internet-ich-war-in-Georgien-Blogs keiner kontrolliert. Stimmt soweit, bis halt dann bei der Ausreise. Wenn man nicht mehr einreist kann man die 100 GEL/30€ auch vergessen, denn kontrolliert wird erst bei erneuter Einreis, ob man es bezahlt hat. Was bei mir ja der Fall ist. Das Ende vom Lied ist, ich habe mir 7€ Versicherung gespart (an dem erwähnten Versicherungsschalter), 30€ Strafe bezahlt und kaufe mir für die Rückfahrt dann doch die Versicherung. Ich könnte mich und die anderen Traveler in den Arsch beißen. Wobei, ich weiß wie selten der zum Teil gewaschen wird. 20000€ Weltreise und 7€ sparen.
In Armenien kaufe ich zuerst? Richtig, eine Versicherung für 4000 AMD/7,40€. Ausserdem gibt es SIM Karten für 2000/3,40€ mit 1GB Daten.
Es ist sehr warm und ich fahre Richtung Sewansee. Mit einem Schlenker in den Norden, denn die geschwungenen Linien auf der Karte versprechen Spaß. Und was soll ich sagen, es wird auch nicht gebrochen. Da ist er nun der Motorradfahrspass pur. Armenische Straßen können was. Tipitopi. Der Heidenau trumpft auch auf, was will man mehr. Zum Beispiel Fleisch zum Grillen. Aber das bleibt wohl ein armenisches Geheimni,s wo es das zu kaufen gibt. Auf alle Fälle nicht in den kleinen MARKETs am Straßenrand. Überall Unmengen von Kühen, aber keine Metzger. Zum Ende hin gönne ich mir noch eine 50 KM Asphalt-mehr-Schotter-Kombi im Maxi Menü, denn sie geht komplett durch Wolken quasi Null Sicht und es hat 10 Grad. Das ist sehr kalt. Am Ende wuppt es mich am See unter den blauen Himmel. Ich bin beeindruckt. Der coole Surfer Hot Spot ist mir aber zu crowded and windy. Ich fahre noch 40 KM weiter und lande iOverlander inspiriert, mutterseelenallein am See. Direkt am Strand ist mir allerdings zu viel Müll. Kaum nehme ich den Helm ab, bleibt ein Lada stehen, 4 Männer mit 4 Gewehren steigen aus und kommen auf mich zu. Nur zur Erinnerung, ich bin immer noch in Armenien.
Sie grüßen und gehen an mir vorbei zur Entenjagd. Klischee: der große deutsche Schäfehund heißt Rex.
331 KM / 6059 km zur Halbzeit
6. 9.
Die Nacht war zumindest nicht so kalt wie in Georgien. Gemütlich geht es auf einer ziemlich desolaten Straßen rund um den See. Als ich in Martuni abbiege und Ausschau nach einem Café halte, entdecke ich diverse Metzgereien. Als Mitteleuropäer vermutet man allerdings eher einen Kinderspielzeugladen hinter den bunten Tafeln mit Tieren drauf.
Eine gute Straße führt auf 2400 Meter und dann Kurve an Kurve hinunter. Bei 1000 Metern hat es dann schon 28 Grad. Dieses Armenien! Klamotten raus, Klamotten rein. Der Wahnsinn. Unten auf der Hauptverbindung Jerewan - Iran ist die Straße so mies, ich habe Angst, dass mir die Koffer davonfliegen. Plan B. Rechts ab, über einen weiteren Pass zum Ararat, dem heiligen Berg. Siehe da, wieder ein top Asphalt. Von hinten drückt ein ortskundiger Opel Vectra an. Jedoch fährt man in meinem Alter eigentlich keine Rennen mehr. Eigentlich. Wenn dann nur noch ums Podium nie um den Sieg. Jetzt gilt es, ihr Heidenaus: 30 Grad und volles Gepäck. Der Grip passt. Um es kurz zu machen, es wird ein Start Ziel Sieg und Bochum wird auf die Plätze verwiesen.
Als ich zum Kloster "Chor Virap" komme ist der Ararat in Wolken gehüllt. Auf dem Parkplatz werden mir 500 AMD/1€ abgeknöpft. Was ich ziemlich überteuert finde fürs parken in Armenien. Ich esse meine Weintrauben, schaue mir das Kloster von unten an, da ich bei 32 Grad nicht so richtig Lust zum hinauf gehen habe. Müsste mich umziehen und er wäre dann auch nicht weniger verhüllt. Von hier aus kommt man dem für Türken und Armenier gleichermaßen heiligen Berg, Stichwort Arche Noha, recht einfach nah.
Kurze Zeit später bin ich in meinem fensterlosen Hotelzimmer in Jerewan. Bummeln, Sightseeing Light und Essen. Danach das allabendliche Brunnen Spektakel anschauen und zurück ins Hotel. So richtig packt mich die Stadt nicht. Kein Flair, kein Charme. Nur Luxus und laut. Grand Hotels, Edelboutiquen und Luxuslimousinen wohin man schaut. Ein so krasser Unterschied zum Rest des Landes. Wenn sich irgendwer jemals die Frage gestellt hat: Wo landen eigentlich unsere ganzen alten Opel? In Armenien sind die Astras, Vectras und Omegas zum Teil in sehr gutem Zustand unterwegs. Außer eben in Jerewan.
254 KM
7. 9.
Heute geht es zurück nach Georgien. Ein kleiner Schlenker rauf zum Observatorium soll etwas Abwechslung in die fade, geradeaus Fahrerei bringen. Die Straße rauf überrascht immer wieder mit Asphalteinbrüchen die teils 40 cm tief sind. Der Aragaz mit seinen 4000 Metern ist in schwarzen Wolken versteckt. Ich schenke mir die Stichstraße weiter rauf, denn auf Regen habe ich gar keinen Bock. Runter geht es schön kurvig auf nagelneuem Teer. Ab dann bis zur Grenze geradeaus auf sehr rustikaler Hauptstraße. Dann wird es ärgerlich. Ich sehe einen jungen abgemagerten Straßenhund, von denen es in Armenien ziemlich wenige gibt. Ich fahre rechts ran, weil ich ja seid vorgestern dieses berühmte Lavash Brot herumfahre. Als ich den Motor ausmache hält die Polizei hinter mir und steigt aus. Ich könnte mich in den Arsch beißen, dass ich stehen geblieben bin. Der Beamte begrüßt mich mit Handschlag. Ach nett, denke ich mir noch. Dann deutet er mir, dass ich die durchgezogene Linie überfahren habe. Ja kann sein. Ziemlich sicher sogar, da ich ja ständig am überholen bin. Er füllt ein riesiges Formular aus auf dem ich sechs mal unterschreiben muss. Sein Kollege zeigt mir ein komisches Polizisten Bilderbuch, wo steht, dass das 30.000 AMD kostet. Alter das sind über 50€. Ich habe gerade für 1000/1,90€ Mittag gegessen. Ich rege mich auf und wittere Betrug. Aber man kann ja kein Englisch. Da ich gar nicht soviel Drams habe, empfiehlt man mir einen Geldautomaten auf zu suchen oder eben in Euro zu zahlen. Laut Ihrer Umrechnung wären es 45€. Es wird immer komischer. Ich habe nur einen 50er. Sie geben mir 5000 raus, was 10€ sind. Als ich einen Beleg verlange heißt es erst nein, dann bekomme ich doch etwas. Was darauf steht, weiß nur wer des Ostarmenischen mächtig ist. Mit einer mords Wut pfeiffe ich zur Grenze. An jener, überlege ich kurz, die dortigen Beamten zu fragen, ob es sein kann, dass das überfahren der Linie, was quasi jeder immer macht, wirklich ein fünftel Monatslohn kostet. Lasse es dann aber gut sein, wer weiß, was dann wieder alles passiert.
Nach der Grenze wird es dann noch lustiger. Es gibt quasi keine Straße mehr. Nur noch eine Aneinanderreihung von riesigen Schlaglöchern mit nicht einmal Teerresten dazwischen. Die Sattelschlepper fahren wilde zickzack Kurse. Nach sechs Supermärkten und keinem einzigen Metzger, dem Thema der Woche, habe ich zumindest ein Abendessen zusammen. Meine Route führt jetzt auch noch direkt auf die nächste schwarze Wolkenwand zu. Als ich das Ziel nochmal überprüfe sehe ich, dass es auf 2400 Metern liegt. Jetzt platzt mir endgültig der Kragen. Es ist jetzt schon kalt und windig, da sind 700 zusätzliche Höhenmeter ein Schmarrn. Ich drehe um und fahre Richtung türkische Grenze. Eine herrliche Straße bringt mich in einer Schlucht mit Fluss in tiefere Gefilde. Ich biege nochmal ab und folge einem anderen Fluss. Um mir einen Lagerplatz zu suchen. Als ich ein sensationelles Plätzchen direkt am Fluss unter Bäumen entdecke, bereiten mir die dunklen Wolken Sorge. Wenn es regnet komme ich hier nie wieder die Wiesenböschung hinauf. Zu steil, zu glatt, Motorrad zu schwer. Schweren Herzens suche ich mir was, oben auf den Feldern.
313 KM
8. 9.
Natürlich hat es nicht geregnet. In der Früh checke ich nochmal das Wetter und studiere die Karte. Am Ende der Stichstraße, die ich gestern zum zelten entlang gefahren bin, ist Cave Town. Wow. Ausserdem ist sie kurvig. Ich schaue mir das schön von unten an, wegen umziehen und so, bin wieder einmal Kulturbanause und fröne lieber der Kurvenhatz. Da das Wetter in Georgien, speziell in den Bergen nicht gut zu werden scheint, plane ich um. Leider, aber auf tausende Höhenmeter im Regen habe ich überhaupt keine Lust. Wahrscheinlich regnet es im Kaukasus nicht, sondern es schneit. Somit habe ich von Georgien nicht wirklich viel gesehen. Schade, denn hier fährt man nicht eben nochmal her.
Plan B ist rüber in die Türkei zu fahren und die Motorradstrecke Nummer eins der türkischen Biker, sagte zumindest mein KTM Kumpel aus Ismir, unter die Räder zu nehmen. Auf dem Weg zur Grenze zieht Georgien noch mal alle Register. Heidewitzga. An der Grenze, das übliche. Was ich allerdings nicht verstehe, warum tippen Sie sich alle den Wolf ein, um weder bei der Einreise noch bei der Ausreise nach der offenen Strafe zu fragen. Ich Depp hab die 100 GEL natürlich brav deutsch, sofort einbezahlt.
Der türkische Zoll hat dann nur an meinem Benzinkanister was rumzumosern. Not good. Dann wieder OK. Not good. Ich sage ihm, „It's german fuel“. OK, good, go! Respekt, nach zehn Grenzeübertritten und wohlgemerkt der zweiten in die Türkei, kommt man auf so was. Not good.
Was den Armeniern ihre Opel sind, ist in Georgien der laut Aufschrift ehemalige deutsche Handwerker Transit. Die sind alle hier gelandet und werden scharf gefahren, wie Waffen.
In der Türkei komme ich 10 KM weit, bis mich wieder die „daumendicker Rollsplitt auf Bitumen Straße“, empfängt. Kaum habe ich mich wieder abgeregt, fängt es an zu regnen. So richtig. Oben auf dem Pass mit 2400 Metern hat es 5 Grad und auf den Hängen gegenüber ist es weiß. Ein Traum im dünnen Funktions-Shirt. Als ich unten meinen Pulli anziehe, spüre ich den Wassereinbruch am Bauch und natürlich wo sonst, im Schritt. 4 spurig geht es über Ardahan, wo ich mir eine lange Unterhose kaufe, weiter ins Gebirge.
Die Biker No. 1 wäre ohne Rollsplitt und Regen sicher der Hit. Aber in meinem Fall nicht so prickelnd. Irgendwann habe ich mich eingeschossen, der Dainese Anzug hält diesmal dicht und die Heidenau können sogar nass. Außer schneller wie 140 können sie eigentlich alles. Ich bin hin und weg. Pirelli, Michelin, Bridgestone, Metzeler, Continental, alle deklassiert. Jetzt bin ich gespannt wie lange sie halten. Irgendwann wird es mir dann zu blöd mit dem Wasser und ich suche mir ein Hotel.
231 KM