Während der Recherche zu meiner Kalabrienreise stieß ich auf die Seite von Christian Engl, dessen Italiendurchquerung mich zu einer eigenen Reise inspirierte. Als Termin kam nur der August in Frage, was Anschaffungen nach sich zog:
Ein Luftbett (200 x 100 x 23 cm) für komfortables Zelten und eine Motorradjeans wegen der hohen Temperaturen.
Der Plan war einfach: Das Apennin entlang, das sich entgegen landläufiger Meinung von der Poebene durch ganz Italien bis Nordsizilien zieht, bis Sizilien und über Sardinien sowie Korsika wieder zurück. Problem: Die Fähre von Sizilien nach Sardinien fährt nur samstags und sonntags. Da die Abfahrt am Mittwoch ist habe ich 10 Tage um nach Palermo zu kommen aber nur 4 für die Rückfahrt.
Mittwoch 8.8.
Los geht es morgens um 9 über Tölz - Kesselberg - Garmisch - Brenner - Grödner Tal - San Pellegrino Pass - Monte Grappa - Autobahn durch die Poebene bis hinter Bologna und dann auf den fast leeren Campingplatz. Der erste Aufbau meiner Schlafstätte klappt wie geplant. DIY 12V Stromquelle für die Luftbettpumpe, Leintuch, Kopfkissen, Schlafsack, Wäscheleine, alles funktioniert so wie ich es zu Hause ausbaldowert habe. Der einzige Platz den ich mit dem ADAC Campingplatz Führer gesucht habe, hat entgegen der Beschreibung seine beste Zeit hinter sich. Kein Restaurant und kein Laden, das heißt abends nochmal in den Sattel und zum Essen fahren.
645 KM Camping Le Querce - San Benedetta Val di Sambro +39516770394
Donnerstag 9.8.
Am nächsten Tag geht es durch die Toskana. Wunderschön aber auch adrenalingeschwängert, wenn hinter der Kurve zwei Kieslaster überholend nebeneinander entgegenkommen. Abends lade ich an der Tankstelle vom Netbook die Campingplatz POIs der Gegend auf mein Garmin . Im Supermarkt kaufe ich Salami und Käse ein, bevor es weiter geht zum sehr schön gelegenen Campingplatz. Auch der ist schon älter aber die neuen Besitzer geben sich Mühe alles auf Vordermann zu bringen. Ich hoffe, dass der Umstand nur 2 belegter Plätze nicht das baldige Ende bedeuten. Nachts kommt starker Wind auf.
260 KM Camping Le Ginestre del Catria - Cantiano +393312490213
Freitag 10.8.
Der Wind bleibt den den ganzen Tag mein Begleiter. Es geht durch die Marken und mein Garmin navigiert immer komischer. Es macht keinen Unterschied zwischen einspurigen Strassen und dicken Superstradas. Die Bauern sind jedesmal irritiert wenn man entschuldigend, achselzuckend durch ihre Höfe fährt. Am dritten Tag in Italien will ich am Meer übernachten und biege vor dem Gran Sasso Massiv nach links ab Richtung Küste. Wie naiv von mir, im August am Meer zu zelten. Menschenmassen und Party statt leerem Campingplatz. Beim obligatorischen Bad im Meer bin ich aber ganz allein, was allerdings nur dem Sturm geschuldet ist. Ich spanne das Zelt ab, ansonsten sorgt Aperol Spritz dafür, dass ich trotz Wind und feiernden Italienern schnell und gut schlafe.
300 KM La Playa - Roseto d. Abruzzi +39858944349
Samstag 11.8.
Vor der Abfahrt kaufe ich eine Isomatte um meine Sitzbank aufzupimpen. Mein Hintern ist nicht ganz so dankbar wie ich es mir erhofft habe. Wie sich zu Hause herrausstellt ist die Sitzbank der Gladius fehlkonstruiert und die Isomatte darauf lindert zwar, aber beseitigt den Druck an den Sitzknochen nicht.
Dann geht es vom Meer hinauf zum Campo Imperiale auf dem Gran Sasso Massiv. Von 0 Meter auf 2700 Meter in 2 Stunden und oben gibt es zur Belohnung feine Salsiccia vom Grill. Die Landschaft ist ziemlich surreal, ein bisschen wie die Pampa inklusive wilder Pferde. Inzwischen navigiert das Garmin nur noch durch Bauernhöfe oder Feldwege und ich werde den Verdacht nicht los, dass italienische Landvermesser die Straßen im Vollrausch abfahren. Somit fahre ich wieder "old school" mit der Papierlandkarte von den Abruzzen nach Kampanien, Hügel an Hügel, Kurve an Kurve. Abends stelle ich fest, dass es hier im Landesinneren keine Campingplätze gibt und suche mir stattdessen ein Agriturismo. Das Zimmer für €25 ist top, das Abendessen im eigenen Restaurant hervorragend und der Wein selbst gekeltert. La Dolce Vita.
420 KM Azienda Agrituristica Le Contrade
Sonntag 12.8.
Ein neuer Tag, eine neue Provinz. Durch Basilikata geht es zwar kurvig aber eher unspektakulär weiter nach Kalabrien. Wobei unspektakulär nicht ganz stimmt, denn die Straßen sind zum Teil so schlecht, dass ich mir eine Enduro wünsche. Wegen der Campingplatzsituation steuere ich abends die Küste an und lande in Sapri. Hier unten herrscht im Gegensatz zu den Bergen eine Bullenhitze. Aber immerhin haben die Partyzonen den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass es Aperol Spritz und Eisdielen gibt.
320 KM Acapulco - Santa Maria Li Piani +39973365035
Montag 13.8.
Am nächsten Tag geht es wieder in die Berge, wo ich im Frühjahr wegen Regen und Kälte umkehren musste. Jetzt fahre ich mit Jeans und Safetyjacket über dem T-Shirt eine kurze Etappe durch die kalabrischen Berge zurück an die Küste nach Cetraro Marina. Mittags esse ich typisch kalabrisch in einem Grillrestaurant Fleisch, Wurst, Salami und Schinken. Definitiv nichts für Vegetarier. Auch hier sind die Nebenstrassen in einem desolaten Zustand, aber dafür ist der Campingplatz ein Highlight. Ich habe sogar noch Zeit ein bisschen am Strand zu liegen und zu lesen. Am Abend gibt es Melone, Bier sowie ein Jazzkonzert im Sonnenuntergang.
220 KM Lido Dei Pini - Cetraro +3998291384
Dienstag 14.8.
Auch der siebte Tag führt ins Landesinnere, heute durch den Sila Nationalpark. Am Straßenrand kaufe ich noch ein paar reife Feigen und dann geht es rund im wörtlichsten Sinne. Die Route ist der Hammer und nachmittags ist es dann soweit: Das erste mal in meinem Leben, dass ich keine Kurven mehr fahren will. Mittlerweile ist auch das Navigieren mit der Landkarte ein Abenteuer, da die Beschilderung vollkommen unbrauchbar ist. Ich fahre einen riesen Umweg bevor ich am Abend vor Ferragosto noch ein Plätzchen auf einem total überfüllten Campingplatz finde. Ich bin zwar in der Nähe von Roccella, meinem eigentlichen Ziel im März, aber zu erschöpft um in die besagte Pizzeria zu fahren. Ich esse ebenso vorzüglich direkt neben dem Campingplatz.
390 KM Afrodite - Caulonia +3996482451
Mittwoch 15.8.
Wie immer morgens in die Berge. Kurve um Kurve arbeite ich mich über schmale, schlechte Straßen, aus deren Frostaufbrüchen Gras, teilweise dünne Bäumchen wachsen, nach Villa San Giovanni vor. Im Hafen verzaubere ich die anderen Passagiere mit einem Striptease, denn die pralle Sonne ist nur in kurzen Hosen zu ertragen. Die Überfahrt nach Sizilien dauert 22 Minuten und kostet 13 Euro. Da es schon Nachmittag ist beschließe ich nicht mehr zum Etna zu fahren sondern an der Nordküste mein Zelt aufzubauen. Am Capo Milazzo ergattere ich einen so schönen Platz, dass ich beschließe zwei Nächte zu bleiben und den Etna per Tagesausflug zu erkunden.
230 KM Riva Smeralda - Baronia +39909282980
Donnerstag 16.8.
Auf geht es zum höchsten und aktivsten Vulkan Europas. Schon der zweite Pass ist gesperrt aber ich fahre trotzdem darüber. Anfangs ein bisschen vorsichtig doch dann stelle ich fest, dass die Stellen wo die Fahrbahn fehlt oder abgebrochen ist, nicht anders ausschaut als die Straßen der letzten Tage auch. Ansonsten ist es eine super Kurverei durch den Osten der Insel, noch dazu ohne Gepäck. Die Strassen zum Etna und nach Mareneve sind quasi nagelneu und die Lavafelder beeindrucken. Auf der Rückfahrt fällt mir am letzten Pass auf, dass mein Hinterreifen so gut wie abgefahren ist. Ich rede mir ein, dass es kein Problem ist und ich bestimmt damit nach Hause komme. Dann kaufe ich in einem "Frutta e Verdura" noch für das Abendessen Salami, Käse, Oliven und Rotwein vom Fass ein.
320 KM
Freitag 17.8.
Es ist Freitag und ich beschließe über die Berge nach Palermo zu fahren um mir rechtzeitig mein Fährticket nach Sardinien zu sichern und einen neuen Reifen zu kaufen. Nach dem ersten Pass stelle ich fest, dass der Reifen komplett am Ende ist und permanent wegrutscht. Ich fahre also über die Autostrada nach Palermo. Zuerst geht es an den Hafen, wo ich das letzte Ticket nach Cagliari ergattere. Danach muss ich feststellen, dass in der Ferragosto Woche, alles in Palermo geschlossen hat, auch die Motorradläden. Wenn ich hier keinen Reifen bekomme, dann auch nicht am Sonntag auf Sardinien. Das bedeutet, dass ich schlingernd und vollkommen spaßbefreit ganz Sardinien durchqueren müsste. Ziemlich gefrustet verlasse ich Palermo wieder auf der Autobahn und suche mir in Castellammare einen Campingplatz. An der Rezeption frage ich noch aus reiner Verzweiflung, ob sie jemanden kennen der mir einen Reifen verkauft. Die Antwort lautet: Ja, Furco in der IP Tankstelle. Ich lade ab und fahr zurück. Furco ist sehr nett macht mir aber wenig Hoffnung: Ferragosto! Alle Großhändler haben zu und nach zig Telefonaten, erklärt er mir ich soll am Samstag um 10 anrufen, dann weiß er ob es klappt. Wird aber nicht billig: Ferragosto! Voller Euphorie und optimistisch hebe ich noch Geld ab und fahre zurück um mein Zelt aufzubauen. Der Campingplatz ist nur zu einem Drittel belegt und ich kann mich nicht entscheiden an welcher schönen Stelle mein Zelt stehen soll.
380 KM Baia di Guidaloca - Scopello
Samstag 18.8.
Ganz nervös rufe ich Furco an. YES! Er hat einen Reifen, kostet 160€ und ich soll in einer halben Stunde da sein. Nachdem der Reifen gewechselt ist habe ich leider keine Nerven und Zeit mehr, mir mehr von Sizilien anzuschauen. Ich gehe gegenüber der IP noch in das Schnellrestaurant das mir Furco empfohlen hat, und es ist köstlich. Ich fahre nochmals an den Strand bevor ich nachmittags in Palermo einschiffe. Auf dem Weg dorthin gibt mein Garmin endgültig den Geist auf. Das heißt ab jetzt besteht auch das Tracking aus Stift und Papier. Dem Sonnenuntergang entgegen verlasse ich die im Müll erstickende Stadt. Ab jetzt geht es wieder Richtung Heimat.
ca. 90 KM Übernachtung auf der Fähre € 130,- in 4-Bett Kabine Tirrenia Fähre
Sonntag 19.8.
Um sieben Uhr verlasse ich das noch schlafende Cagliari Richtung Südostküste bis Orosei. Dann schräg durch die Insel nach Castelsardo. Der neue Reifen fährt sich super und ich komme gut voran. Die perfekten Straßen sind eine reine Wohltat nach den Rübenackern der letzten Tage. Schade, dass ich nur einen Tag hier bin. Auch dieser Campingplatz ist nur dünn besiedelt aber absolut top ausgestattet.
500 KM La Foce - Valledoria +3979582109
Montag 20.8.
Montag Morgen geht es an der Küste entlang nach Santa Theresa und ich schlüpfe gerade noch auf die Fähre nach Bonifacio für 37,70€. Auf Korsika fahre ich die komplette Westküste hinauf. Hier sind nicht nur die Strassen in einem super Zustand, sondern, abgesehen von den Einschusslöchern, auch die Beschilderung, Zuerst die N196 bis kurz vor Ajaccio, dann die D81. Auf meiner persönlichen Liste der geilsten Straßen der Welt, zur Zeit auf Platz 1. Die D81 hat alles: eng, weit, schnell, langsam, Berge, Meer - Bikerherz was willst du mehr. Ziemlich erschöpft genieße ich auf dem Campingplatz die Ruhe. Keine italienische laute Animation, keine Disco und kein Feuerwerk. Allerdings kostet eine Dose Bier (500cl) €4,80, dagegen ist die Wiesenmaß ein Schnäppchen.
430 KM Aire naturelle U Sole Marinu - Patrimonio +33495371220
Dienstag 21.8.
Mein Handywecker reißt mich aus dem Schlaf. Im Morgengrauen baue ich mein Zelt ab und starte früh um die Fähre in Bastia zu bekommen. Sogar eine der begehrten Liegen auf dem Sonnendeck ergattere ich. Buch, Sonne und Meer, es ist fast wie auf dem Traumschiff, sogar der Preis: 112 €. Nach 4 Stunden lege ich mittags in Livorno an, schütte einen halben Liter Öl in die Gladius und fahre über Pisa und Lucca wieder ins Apennin. Traumhafte kleine Pässe bringen mich zurück in die Poebene nahe Parma. Zum Essen gibt es Pizza natürlich mit Parmaschinken und kalten roten Frizzante. La dolce vita.
308 KM Arizona - Tabiano Terme +39524565648
Mittwoch 22.8.
Die Heimreise hat noch ein paar Höhepunkte zu bieten. Um mich nicht am Anfang zu verspielen, fahre ich auf der Autobahn und Schnellstraße bis hinter den Iseosee. Hier geht es links in die Berge über den Passo Presolana und den sehr schmalen Passo del Vivione. Oben kaufe ich einen Käse vom Senner und fahre weiter zum Stilfserjoch. Ich bin überrascht, denn das letzte mal waren die 48 Kehren noch mit Kopfsteinen gepflastert. Geteert gefallen sie mir deutlich besser. Auf der Abfahrt erwischt mich der einzige Regen der ganzen Tour. Das hochsommerliche Gewitter ist aber nicht der Rede wert und schneller vorbei wie ich meine Regenklamotten rausholen kann.
552 KM
Nach 15 Tagen und 5500 KM bin ich wieder wohl behalten zu Hause.
Eine tolle Reise.
Mit mehr Zeit und niedrigeren Temperaturen könnte man sogar die ein oder andere Sehenswürdigkeit besichtigen. Wenn es um die Essenz der Motorradstraßen geht, muss man nach Sardinien und Korsika fahren, wobei letztere Insel zum Teil unverschämt teuer ist. Aber hier gibt es alles: Ausgezeichnete Straßen, Kurven ohne Ende, Berge und Meer. Kulinarisch bin ich von den Marken bis Kalabrien angetan. Bekannte und unbekannte italienische Köstlichkeiten verzaubern den Gaumen.