Seit Jahren reifte in mir der Plan einer Korsika - Sardinien - Rundfahrt und im März 2012 sollte es soweit sein. Die Internetrecherche der Fährverbindungen vereitelte allerdings dieses Vorhaben, da erst ab April eine Fähre zwischen Korsika und Sardinien übersetzt. (2013 stellte sich heraus, dass das falsch ist - Korsika und Sardinien im März 2013). Weitere Recherchen und Artikel mit Titeln wie "Winterfluchten" brachten Sizilien ins Spiel. Beim Studium der Italienkarte viel mir auf, dass man um schnell nach Sizilien zu kommen, an den schönsten Bergen und Küsten vorbeizischt. Da ich nur 9 Tage Zeit hatte, war es nur logisch, eine Kalabrienreise zu planen. Als Umkehrpunkt sah ich mir Roccella Ionica aus, da mir meine Frau dort eine Pizzeria empfahl. Je näher die Abreise kam, desto mehr meiner 3 Mitreisenden sprangen aus unterschiedlichen Gründen ab. Schlussendlich startet ich am 3. März 2012 alleine...
KALABRIEN 2012
Nebel am 3. März verzögert die Abfahrt bis 10 Uhr, dann ist es soweit und die Reise beginnt. Strahlend blauer Himmel und 10 Grad in Garmisch, der Kopfhörer gibt "Gente di Mare" zum Besten, was will man mehr. Es geht über Tölz, Garmisch und Scharnitz nach Österreich. Bei Innsbruck-Süd, ohne Vignette dann auf die Autobahn nach Italien. An der Raststätte Rovereto wandern der Thermokombi und die Lenkerstulpen in die Ortliebtasche und es geht auf der Autostrada weiter bis Modena beziehungsweise nach Sassaulo. Um vier Uhr nachmittags tanke ich noch einmal bevor es dann den ersten Pass hinauf geht. Ich schwinge durch die Landschaft bis es dunkler und kälter wird. Als ich auf dem Abetone Pass Skifahrer überhole, wird es dann schlagartig bitterkalt. Quartiersuche steht nun an erster Stelle doch das nächste Schild mit "Camera" taucht erst um 19 Uhr auf. Mein Tagesziel habe ich um 200 KM verpasst. Unglaublich, aber für die letzten 108 KM habe ich 3 Stunden benötigt. Egal, die Dusche ist warm, das Essen gut und das Zimmer kostet 35€.
Am zweiten Tag starte ich wieder um 10 Uhr diesmal hinunter nach Pistoia und weiter nach Vinci wo Leonardo herkommt und ich mir in einem kleinen Alimentari Brot, Wurst und Käse kaufe. Zwischen hunderten von Rennradlern weiter rauf und runter und links und rechts nach Castelfiorentino, Voltera, Pomarance und Massa Marittima. Das ist die Toskana wie man sie aus Film, Funk und Fernsehen kennt. Auf dem Weg zur Via Aurelia suche ich mir ein schönes Plätzchen in der Sonne und mache zwischen den Olivenbäumen Brotzeit. Via Aurelia klingt besser als sie ist, anfangs ist es eine Autobahn, dazwischen immer wieder eine große gerade Landstrasse auf der 90 erlaubt ist meistens sogar nur 70. Die unzähligen orangen Geschwindigkeitskontrollen machen es nicht leichter. Ab Civitavecchia geht es dann gebührenpflichtig auf der A12 weiter an Rom vorbei zur A1, der Strada de Sole nach Neapel. Im Dunkeln verraten nur die Schilder, dass ich den Vesuv und Pompei passiere. Ich verlasse die Autobahn Richtung Amalfiküste und halte Ausschau nach einer Unterkunft. Zu allem Überfluss fängt es auch noch an zu regnen. Die ersten zwei Hotels sind ausgebucht und meine Stimmung gleicht sich der Aussentemperatur an. Je mehr ich mich der Amalfiküste nähere desto exklusiver werden die Hotels und ich beschließe es im Landesinneren zu versuchen. Tatsächlich taucht bald eine Pizzeria mit Bed & Breakfast auf. Mit 40€ ist ist es im März kein Schnäppchen aber in meiner Lage fackle ich nicht lange. Das Abendessen erklärt auch die Versammlung vor der Pizzeria, denn die Pizza ist vorzüglich und der Salat mit Amalfizitronensaft angemacht, ein Gedicht.
Am Montag Morgen scheint wieder die Sonne und ich weiß warum das Zimmer im voraus bezahlt werden musste. Aus dem Bed & Breakfast ist ein Bed ohne Breakfast geworden. Somit bin ich heute schon um 9 Uhr on the Road auf der Suche nach einem Café um danach die Amalfitana in Angriff zu nehmen. Ein Stau macht gleich mal mit der südlichen Fahrweise vertraut. Als ich mit meinen Packtaschen am Stau nicht vorbei fahre weil zwischen Gegenverkehr und Stau kein Platz ist, knallt ein Großroller in einem Affenzahn an mir vorbei. Als dann der Gegenverkehr kommt lerne ich, dass hupen die Fahrbahn auf magische weise verbreitert. Also nix wie hinterher, denn die Polizisten, die auf jeder Kreuzung stehen, nehmen keinerlei Notiz von uns. Forza Italia.
Die Amalfitana - das muss man gesehen haben. Ich komme gar nicht zum Motorradfahren denn permanent muss ich schauen, fotografieren, staunen und schließlich Orangen kaufen. Es ist unbeschreiblich wie und wo die Häuser gebaut wurden und welche Mühen die Menschen auf sich nahmen und nehmen. Wobei ich glaube, dass auch der Besucher im Sommer einiges auf sich nehmen muss wenn sich tausende von Bussen und Autos über diese wunderschöne Küstenstrasse stauen. Vermutlich ändern auch die Schilder nichts, die in 4 Sprachen Bus- und LKW Fahrer bitten, die anderen vorbei zu lassen. Schon 70 KM später ist der Spuk vorbei und ich bin in Salerno. Wieder fahre ich für 20 KM auf die Autobahn und ab Battipaglia noch mal soweit geradeaus über die Landstrasse, durch Industriegebiete und Gewächshäuser nach Agropoli. Am Straßenrand kaufe ich einen frischen Mozzarella di Campania und Tomaten um am Meer Brotzeit zu machen. Die folgende Küstenstrasse ist wesentlich weniger besiedelt und gerade deshalb sehr schön zu befahren auf nicht enden wollendem Teerband zwischen Fels und Meer. Riesige Wolken fliegen immer wieder vom Meer heran und türmen sich an den Bergen Kalabriens auf. Ab und zu tröpfelt es bis nach Scalea aber anstatt mir hier um fünf ein Zimmer zu suchen beschließe ich noch die 50 KM nach Mormanno zu fahren. Fehler!
Die Wolken türmen sich nicht nur an den Bergen auf, sie regnen sich auch ab und kurz vor Mormanno dann sogar in Strömen. Die Zimmersuche erweist sich als kompliziert. Es gibt kein Hotel in der Stadt, das einzige B&B will mich nicht für eine Nacht und in den 3 Agriturismi ist niemand zu Hause. Nach schier endlosen Kilometern über kleinste Wege im Hinterland erreiche ich völlig durchnässt den letzten Agriturismo. Wenn der jetzt auch zu oder voll ist, dann muss ich im Regen alles zurückfahren und auf der Autobahn zur nächsten Stadt. Minimum eine Stunde - ein Alptraum! Aber nein, es ist offen, hat ein Zimmer frei, heißes Wasser in der Dusche, das Zimmer ist geheizt und obendrein das beste Abendessen dieser Reise. Ich fühle mich wie im Paradies. Das Zimmer kostet inklusive des wunderbaren Abendmahls mit Wein und Café sowie Frühstück 35 €. Da nehme ich auch den Wassereinbruch im Garmin gelassen hin, zerlege es und leg´s auf die Heizung.
Dienstag Früh - eine gute und eine schlechte Nachricht. Die Gute ist, dass alle Klamotten, sogar die Stiefel, trocken sind. Die Schlechte, es regnet immer noch und es ist 4 Grad kalt. Während des Frühstücks checke ich den Wetterbericht. Gut, dass es in Italien auch auf dem letzten Bauernhof mindestens Handyempfang, meistens sogar 3G gibt. Meine geplante Route ans Ionische Meer führt zwangsläufig über die Kalabrischen Berge, was auch der Sinn und Zweck dieser Reise war. Das Problem ist, dass Temperaturen um 2 Grad und Regen keinen Spaß versprechen. Als ich gerade beschließe einen fahrfreien Tag einzulegen, Essen und Unterkunft sind ja vom Feinsten, öffnet sich der Himmel und ein strahlendes Blau lacht herab. Schnell ein neuer Plan geschmiedet, die Wetterdaten der Westküste abgerufen und gepackt.
Als ich um 11 Uhr losfahre hat die Sonne die Strasse bereits getrocknet. Ich fahre auf der Autobahn 2 Ausfahrten nach Laura Sud und dann in einem kurzen Schauer wieder runter ans Meer. Der Regen hört, wie geplant an der Küste auf und ich schwinge die gestrige Strecke, bis auf zwei kleine Abstecher ins Landesinnere zurück. Als Brotzeit muss heute ein Eisbecher in der Sonne am Strand von Ascea herhalten. Es gibt schlimmeres. Aus Fehlern lernt man und ich suche diesmal früher als sonst nach einem Quartier. Bei den Agriturismi blitze ich wieder ab und steige schließlich am Hafen von Santa Maria, recht nobel, für 50€ ab. Schon erstaunlich wie ausgestorben es abends ist, aber ab 22 Uhr boomt das Restaurant. Im Fernsehen sieht man Hochwasser, Hagel und Sturmböen von über 100 Km/H in Kalabrien und auf Sizilien. Ich liebe es wenn Pläne sich als richtig herausstellen.
Für Mittwoch habe ich einen super Plan geschmiedet, der mich über die Ausläufer der Abbruzen um Neapel herum in die Nähe von Rom bringen sollte. Ab Battipaglia führt die Strasse immer weiter ins Land und bergauf. Hinter dem ersten Berg steht eine tiefschwarze Wolkenwand. Pläne sind dazu da geändert zu werden und ich wende, um die Amalfitana diesmal anders herum zu fahren. Wieder ein Abstecher ins Land bei Maiori und später in der Nachmittagssonne Brotzeit an einem Aussichtsplatz. Bei Pompei ziehe ich mich warm an und fahre auf der A1 bis hinter Rom. In der Nähe von Borghetto finde ich ein Agriturismo für 45€ wo ich mit Rotwein und einem guten Abendessen den Tag versöhnlich ausklingen lasse.
Ein wolkenloser Donnerstag sollte ungeahnt das Highlight der Woche werden. Kreuz und quer durch die Toskana. Noch besser, noch schöner, noch kurviger als am Sonntag. Einziger Wermutstropfen ist der starke Wind, der mir nicht nur die Linie versaut, sondern mich auch auskühlt. Ich beende diesen spektakulären Tag in Voltera, wo das Hotel 30€ ohne Frühstück verlangt. Eigentlich zu teuer, denn das Warmwasser versiegt nach dem Duschen und das Zimmer will nicht richtig warm werden. Das Preis-Leistungs-Verhältnis des vorbestellten "Bistecca Fiorentina" im Restaurant um die Ecke ist auch nicht der Rede Wert, aber nichts kann die Euphorie der heutigen Fahrerei dämpfen.
Am Freitag will ich zum Gardasee, da der Wetterbericht nur für Samstag eine schneefreie Prognose für Garmisch wagt. Also fahre ich auf bekanntem Weg nach Pistoia und dann anders als hin über S. Marcello, Barga, Castel Nuovo und den Passo de Radici zurück nach Modena. Es liegt noch viel Schnee im Apennin, mehr als auf dem Brenner. Salzwasser und die eiskalten Finger machen die Sache auch nicht besser. In Modena ist es dann wieder warm und es geht über die Autobahn nach Affi zur Gardesana die eigentlich spektakulär und "james-bond-würdig" ist aber nach den letzten Tagen jetzt etwas langweilt. Sie führt mich über Riva nach Limone, dann geht es hinauf ins Hotel, das ich seit Jahren immer wieder besuche. 40€ mit Spa und Frühstück. Auch hier gibt es immer ein super Abendessen.
Am Samstag ziehe ich mich wieder warm an und nehme den direkten Weg nach Limone, denn der verwinkelte ist zu sandig. In Riva merke ich, dass die süditalienische Fahrweise im Norden nicht gut ankommt. Norditalienische Autofahrer hupen und schütteln den Kopf bei zu optimistischen Überholmanövern. Es geht bei Rovereto auf die Autobahn, bei Sterzing montiere ich die Lenkerstulpen und auf dem Brenner hat es 2, in Garmisch 6 Grad. Nachmittags um 3 bin ich wieder zu Hause und meine 3500 Kilometer lange Reise ist zu Ende.
Mein Fazit:
Kalabrien ist sehr sehr weit weg. Das gesteckte Ziel wäre zwar bei besserem Wetter zu erreichen gewesen, aber nur mit ziemlich langen Autobahnetappen. Wenn man statt über die Autobahn durch die Abruzzen will, muss man mindestens 2 Wochen einplanen. Alternativ könnte man nach Palermo, entweder hin und / oder auch wieder zurück, mit dem Schiff ab Genua fahren (eine Nacht und ein Tag). Perfekt wäre eine Fähre Genua - Neapel. Gibt´s aber leider nicht. Agriturismi finde ich als Motorradfahrer optimal, denn das Bike ist sicher geparkt, Abendessen ohne dass man noch mal fahren muss und ein unschlagbares Preis - Leistungsverhältnis.